Aktuelles, Wissens- und Bedenkenswertes aus der Deutschen Esperanto-Bibliothek Aalen |
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Achtung! Sperrfrist beachten! : Erscheinungstag von Esperanto aktuell 40(2021)269(05) | |
[planmäßig im Oktober 2021]
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Folge {projektiert als 62}: „Wie spricht Europa?‟ – Neuerscheinung (0) – diese Seiten sind vorerst nur Platzhalter für einen Text in Esperanto aktuell 40(2021)№269/Heft5 |
Wie spricht Europa? – Bericht über eine Neuanschaffung
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Über das Projekt kann man sich informieren in allen 24 Amtssprachen Europas und darüber hinaus in diesen 6 weiteren: Isländisch, Norwegisch, Russisch, Albanisch, Serbisch und Türkisch. Was als Manko auffällt: es gibt keine Informationen in isolierten oder „kleineren“ europäischen Sprachen wie etwa Baskisch oder keltischen Sprachen.
Einige Passagen in Vorwort/Einführung thematisieren den gerechten Zugang zu sprachlicher Verständigung in Europa lesen sich fast wie ein Plädoyer (auch) für das Esperanto; so sind sie jedoch nicht gemeint. Um das zu verdeutlichen, hier einige Zitate: „Was ein Europäer als Muttersprache spricht, ist nie nur isolierte Nationalsprache, sondern zu einem großen Teil Europäisch in einer nationalen Varietät. Das bedeutet, dass man mit europäischem Sprachgut über alle Einzelsprachen Europas auf einmal informieren kann.“ „Davon profitiert zum einen jeder, der sich gerne frei durch Europa bewegt: für den Zugang zu einem Land ist ein Zugang zu dessen Sprache genauso wichtig wie offene Grenzen. Durch die Kenntnis europäischen Sprachgutes werden alle Nationalsprachen Europas um ein bis zwei Drittel leichter.“ „Und davon profitieren zum anderen die Muttersprachen der Europäer: keine von ihnen muss sich mehr als Barriere diffamieren lassen, sondern kann von allen europäischen Mitbürgern sowie von Gästen und Freunden aus aller Welt als das geschätzt und genutzt werden, was sie ist: als Zugangsweg zu Land und Leuten.“
„Wo Menschen verschiedener Völker aktives Interesse an der Sprache des Anderen zeigen, und wo internationale Gemeinschaften die Sprachen ihrer Mitgliedsvölker sprechen, findet Nationalismus keinen Nährboden. Vielmehr entsteht dort ein krisenfester Zusammenhalt.“
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Das Wörterbuch ist ein Sprach-Lehrbuch! Der Autor schreibt immer von einem Wörterbuch, doch faktisch handelt es sich hier um ein Lehrbuch für eine neue Plansprache, die im Gegensatz zu Esperanto deskriptiv entstanden ist, weil man bei der Generierung von den vorhandenen Sprachen Europas ausging. Steller lobt die vielseitigen sprachlichen Gemeinsamkeiten in Europa (die er Euro-päismen nennt). Daraus schöpft er den Wortschatz: „anhand internationaler Wörter lateinischen oder griechischen Ursprungs lässt sich für nahezu alle standardisierten Schriftsprachen Europas erkennen, wie diese ihre Schreib- und Sprechgepflogenheiten darauf anwenden; darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von besonders interessanten Beispielen, die in ganz verschiedenen Kombinationen aus Sprachen und Sprachgruppen vorkommen und die durch ihre weite Verbreitung durchaus überraschen.“ Den Fokus des angebotenen Wortmaterials sieht er so: „Die durchschnittliche Verbreitung aller Gebrauchswörter dieses Wörterbuchs beträgt 390 Millionen gebürtige Sprecher in Europa, die sie in 18 nationalen Varietäten verwenden.“ Erfasst würden sie alle in einer gemeinsamen, repräsentativen Schreibweise, die ebenfalls auf europaweit verbreiteten Gepflogenheiten beruhe und es außerdem allen Europäern ermögliche, Bezeichnungen nationalen Eigentums (das nennt er Ethno-Europäismen) wie Orts-, Länder-, Völker- und Sprachennamen in der Originalform korrekt auszusprechen. Insgesamt seien (bisher schon) 31 Sprachen regelhaft in die Recherche einbezogen worden. |
Doch ganz so himmelblau, wie der Autor unser Europa mittels seiner neuen Sprache sehen möchte, ist die Welt eben doch nicht! Im Kontrast dazu zähle ich diese Fakten auf:
Kann das, was ein Mensch spricht, mehrere Sprachen gleichzeitig sein? Dazu führt Steller aus: „Ein Wörterbuch kann nicht gleichzeitig andere Wörterbücher sein. Vielleicht ist das der Grund, warum wir geneigt sind, es bei der Sprache genauso zu sehen. Wörterbücher machen Sprache sichtbar, und wir können uns am besten das vorstellen, was wir sehen können. Aber eine Sprache ist kein Wörterbuch, sondern eine Konvention. Während ein Wörterbuch nur es selbst sein kann, kann eine Sprache sehr wohl gleichzeitig in Teilen eine oder mehrere andere Sprachen sein. Sie kann insbesondere zusammen mit anderen Sprachen derselben Konventionsebene (z. B. der nationalen) an einer gemeinsamen, übergeordneten Suprakonvention beteiligt sein, genauso wie die Sprachen der nationalen Ebene sich häufig in regionale oder soziale Subkonventionen (Dialekte, Jargons) untergliedern. |
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In Europa lassen sich folgende Ebenen unterscheiden: lokal, national, Nationalsprachengruppe, und: Europäisch - oder genauer gesagt: von europäischer Kulturgeschichte hervorgebrachte, sprachgruppenübergreifende Gemeinsamkeiten. Wenn also z. B. ein Kölner Kölsch spricht, dann ist das lokale Sprachkonvention, aber zugleich auch eine Varietät von Ripuarisch (regional), von Deutsch (national), von Germanisch (Nationalsprachen-gruppe), und von Euro¬päisch. Je weiter eine Ebene vom tatsächlich Gesprochenen entfernt ist, desto indirekter wird freilich die Verbindung, aber nachdem eine geeignete Vor¬information den Sinn für die Gemeinsamkeiten in den Unterschieden geschult hat, ist zumindest innerhalb Europas soviel wiedererkennbar, dass man sich auch in der unbekanntesten Landessprache erste Informationen spontan erschließen kann. Dies unterscheidet das hier beschriebene Europäisch von indoeuropäischen Wurzeln, auf die sich bekanntlich die meisten Sprachen Europas zurückführen lassen. Diese prähistorische Gemeinsamkeit ist heute größtenteils sehr abstrakt und vom Alltag so weit entfernt, dass damit sehr wenig anzufangen ist. Ich denke, Europäisch als sprachliches Derivat gemeinsamer Kulturgeschichte der letzten Jahrhunderte ist die höchste Ebene, auf der so etwas wie eine gemeinsame Sprachkonvention konkret und mit realem Informationswert dokumentierbar ist. Ob eine an europäischem Sprachgut beteiligte Einzelsprache indoeuropäischen Ursprungs ist, spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle.“ Meine Einschätzung? Auf den ersten Blick fand ich die Idee faszinierend einfach / einfach faszinierend. Könnte das wirklich sein, dass wir eigentlich in Europa bereits eine gemeinsame Sprechweise (ich will nicht von Sprache reden) haben? Das wäre ja super, für uns alle – zumindest aus Sicht eines Europabürgers; aus der Sicht der Esperantofreunde, die ja überzeugt sind, die bessere Lösung bieten zu können, sieht das naturgemäß etwas anders aus – die Konkurrenz schläft nicht! Andererseits sagt man ja: Konkurrenz belebt das Geschäft; wieso also sollten wir jammern?
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Diesen Ansatz, seine Theorie und speziell diese Publikation fundiert zu beurteilen, das ist meiner Ansicht nach eine lohnende Herausforderung für einen professionellen Linguisten (hier lässt die Genderdebatte grüßen: auch Menschen anderen Geschlechts, welches auch immer, sind mitgemeint!), der idealerweise auch in der Esperantobewegung verankert ist oder sie doch wenigstens einigermaßen kennt; insbesondere denke ich da an Mitglieder oder Freunde der GIL, Gesellschaft für Interlinguistik. Hier kann ich mir nicht verkneifen, erneut mein großes Bedauern auszudrücken über den frühen Tod von Detlev Blanke, dem ich diese Aufgabe sehr gern „aufs Auge gedrückt“ hätte. Mal sehen, ob da in absehbarer Zeit etwas passieren wird und ob wir darüber vielleicht sogar in einem unserer künftigen Hefte etwas werden lesen können!? Blick auf Umfang und Inhalte Das 460 Seiten umfassende Buch enthält 8 Seiten mit Titelei und Inhalts-verzeichnis, 10 Seiten Einleitungsteil sowie 10 Seiten zur Rechtschreibung; der Hauptteil „Vokabular“ besteht aus 9 Seiten mit Vorab-Erläuterungen, 270 Seiten Wortliste „europäisch – deutsch“ sowie 63 Seiten für die umgekehrte Richtung, dazu noch Sonderlisten auf 71 Seiten; abschließend findet man noch 20 Seiten Grammatik und 7 Seiten mit Anhängen. Ich möchte aber doch nochmals auf die Argumente Stellers zurückkommen, weil sie unter Umständen auch den Esperantofreunden helfen könnten – sie treffen ja allgemein auf internationale Verständigungsmittel zu. Und Stellers Aussagen können und sollen uns helfen, die eigenen Argumentationen zu überdenken und zu schärfen. Wozu Europäisch? – jeder kann doch Englisch! Das Problem ist nicht, dass wir Englisch sprechen können. Das Problem ist, dass wir dazu gezwungen sind, weil wir keine Wahl haben. Denn Englisch entfremdet die Europäer eher voneinander, als dass es sie zusammenführt und miteinander vertraut macht. Die wichtigsten Sprachen Europas sind die Muttersprache des Konversations-partners und die eigene Muttersprache. |
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Die Muttersprache des Kommunikationspartners ist eine wichtige Geste von Respekt und Interesse, und das motiviert zur Zusammenarbeit, schafft Gemeinschaft und gibt jedem das Gefühl, dazu zu gehören. Die eigene Muttersprache ist die einzige Sprache, die nicht nur ein Werkzeug zum Transport von Informationen ist, sondern ein System des Denkens und Fühlens – sie ist das Mittel, um authentisch und präsent zu sein. Europa ist da, wo die Sprachen der Europäer gesprochen werden. Europäisch repräsentiert sie alle und macht sie für alle zugänglich. So ist es möglich, Europa zum Leben zu erwecken. Gemeinschaft (nicht nur in der EU) wird durch die Muttersprachen der Mitglieder erzeugt. ‚Wo meine Sprache gesprochen wird, da ist Inland, da ist Heimat.‘ Wer die Muttersprache des Konversationspartners spricht, und seien es nur ein paar Worte, der bekundet Interesse an ihm und seiner Herkunft und Zugehörigkeit, und alleine schon dieses Verhalten erzeugt Gemeinschaft. Es gibt doch schon Esperanto, das gescheitert ist Esperanto ist der alte Vorschlag einer neuen Sprache, Europäisch ist die neue Dokumentation einer alten, schon immer da gewesenen Sprache. Die Zahl der gebürtigen Sprecher von Esperanto liegt nahe Null, die von partiellem Europäisch bei 600 Millionen in Europa und etwa noch einmal so vielen außerhalb. Die Verbreitungszahlen für jeden Einzelfall sind im Wörterbuch ja ausgewiesen. Dass Europäisch überhaupt mit Esperanto verglichen werden kann, mag daran liegen, dass es sich bei beiden um Sprachaufzeichnungen handelt, die keiner einzelnen Nation oder Region zugeordnet sind. Der Unterschied ist jedoch der, dass sich die Aufzeichnung von Esperanto am Prinzip der Einfachheit orientiert hat, die Aufzeichnung von Europäisch dagegen an der Realität. Ein Wörterbuch ist daher im Fall von Esperanto eine Empfehlung, im Fall von Europäisch eine Information. |
Ist nun das alles völlig neu? Na ja, in unserem Jahrhundert vielleicht; aber schon Mitte des 19. Jahrhunderts finden sich ähnliche Sammlungen von Wörtern in europäischen Sprachen. Beispiele, die man auch mittels Google Play lesen kann: Kaltschmidt, Jacob Heinrich: Sprachvergleichendes Wörterbuch der Deutschen Sprache, worin die hochdeutschen Stammwörter in den germanischen, romanischen und vielen andern europäischen und asiatischen Sprachen, besonders in der Sanskrit-Sprache nachgewie¬sen, mit ihren Stammverwandten zusammen-gestellt, aus ihren Wurzeln abgeleitet und nach ihrer Urbedeutung erklärt ... werden. - Leipzig : Hinrichs, 1839. - 852 S. Fick, Friedrich Christian August: Vergleichendes Wörterbuch der indo-germanischen Sprachen: Wortschatz der indogermanischen Grundsprache, der arischen und der europäischen Spracheinheit. - Göttingen : Vandenhoeck & Rupprecht, 1874. - mehrbändig mit je bis zu 1000 S. Peschek, Anton Albert: Groszes Wörterbuch der modernen europäischen Sprachen. Wörterbuch der deutschen, französischen, englischen, russischen, ungarischen, böhmischen, polnischen, serbischen, kroatischen, slovakischen, slove-nischen, romanischen, italienischen, spanischen, portugiesischen, niederländi-schen, schwedischen, dänischen, neugriechischen und lateinischen Sprache. - Brünn : Peschek, 1879. - 392 S. (mehrbändig) Und überdies kommt mir da sofort „Der Zauner“ in den Sinn! Wer war denn das? Es handelt sich um den rumäniendeutschen Verleger und Esperantist Josef Zauner (1895-1959), der auch unter dem Pseudonym Josef Düa publizierte. Mit dem bisher Gelesenen im Kopf kann man nicht umhin, sich doch sehr zu wundern, was Zauner schon vor 82 Jahren im eigenen Verlag „Libro“ in Timişoara publizierte: Europäer, lernt europäisch! Lehr-, Übungs-, Kontroll- und Wörterbuch der eu-ropäischen Sprache. |
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Diese 4 Bändchen liegen mir leider nicht vor, wohl aber zwei andere. Dabei handelt es sich um: Der Weg zur Europa-Partei (der Ausweg UŜE) / von Josef Zauner, Herausgeber des UŜE-EĤO. - Timișoara : Verl. „Libro“, 1931. Genf oder Eŭropa-Centro? / Josef Zauner, Heraus-geber des UŜE-EĤO, organo de l’Eŭropanismo. - Timișoara : Verl. „USE-EĤO“, 1936. Wer noch mehr über Zauner lesen möchte (muss ja nicht alles hier im Heft stehen): de.e-d-e.eu/geschichte/e-d-e-vorlaeufer/1931-josef-zauner Utho Maier |
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2021.08.08